SG Niederkassels „Schwert von Lülsdorf“ 2015 – Nachlese

Beamer für Paarungslisten © Landesblog NRW

Die Schachgemeinschaft SG Niederkassel lud vergangenen Sonntag zum 26. Mal seit 1982 zum Internationalen Schachturnier „Schwert von Lülsdorf“ in Niederkassel. Der Landesblog NRW war natürlich wieder mit von der Partie, und das bei Temperaturen von 130° Celsius ;-). Allein meine Anfahrt war schon sehenswert. Zudem erwarten euch wilde Skandinavier, Nachhilfe im Satzbau, unschlagbare Damen und die Auflösung, wer sich den „Pokal“ des Turniers die nächsten 364 Tage umschnallen dürfen wird.

Mit dem Bus 550 von Bonn Hbf nach Niederkassel

Die Anreise von Hersel nach Niederkassel, auf die andere Rheinseite also, war wieder mal überaus gewieft vorbereitet von mir. Man muss wissen, im letzten Jahr verzeichneten die Turnierorganisatoren um Werner Frehen und Alexander Kneutgen von der SG Niederkassel eine Rekordbeteiligung von 139 Spielern im Kampf um den Krummsäbel.

Grund genug für mich also, morgens am Bonner Hauptbahnhof der erste im Bus zu sein, da dieser sonntags nur 1x stündlich fährt und den sicher alle Spieler aus Richtung Bonn nehmen wollten!

Ich also 9 Uhr am Busstieg paratgestanden und Zack, 9:20 Uhr bei Ankunft der Linie 550, als erster dringewesen! Ha! Jetzt konnte der Rest der 138 anderen Spieler versuchen, in den Bus zu drängen – ich hatte meinen Platz!

Schachspieler erkennen sich untereinander auf der Straße. Oder?

Leere Bushaltestelle © Holger Lersch fahrbier.de
Leere Bushaltestelle © Holger Lersch fahrbier.de

Mir folgten in den Bus: 0 Leute. Keine Sau. Zumindest kein Schachfreund. Man sollte ja meinen, dass Turnierfahrene wie ich andere Schachspieler, die sich für einen Turniertag vorbereiten, an Kleidung und Ausrüstung inzwischen ganz gut erkennen können.

Bei einigen war ich mir auch recht sicher, dass sie welche wären. Nur, nachdem ich die STOP-Taste im Bus für den Sonnenberger Weg drücke und aussteige, folgt mir wieder keine Sau. Ja wo bleibt ihr denn alle! Werden die Großmeister alle mit der Sänfte vorbeigetragen?

Mein schöner Sitzplatz – hätte ich mich nun wirklich nicht drum schlagen müssen…

Spiellokal Kasino der EVONIK Industries Werke

Evonik Werke in Niederkassel Lülsdorf © Landesblog NRW
Evonik Werke in Niederkassel Lülsdorf © Landesblog NRW

Geplättet von der schon morgentlichen Hitze, trotte ich durch ein Wohnviertel rüber zur Feldmühlenstraße 3. Das Turnier findet im Niederkasseler Ortsteil Ranzel statt, und diese Adresse gehört zu den Evonik Industries, einem Global Player der Spezialchemie. Ganz großes Eisen!

Denn um weit über 100 Personen, Turnierleitung, Lautsprechersystem, Verpflegung und den drolligen Dolch irgendwo unterzubringen, fiel die Wahl auf das Kasino (die Kantine) der Evonik-Werke.

Werksbahn der Evonik Werke in Lülsdorf Niederkassel © Landesblog NRW
Tote Gleise? Mitnichten!

Sogar eine eigene Werksbahn gibt es hier offenbar. Naja, ich nehme an, dass die Ortskundigen damit zum Spielort kommen, aber da sehe ich dann doch den großen Parkplatz mit den zahlreichen Autos. Immerhin, viele Fahrgemeinschaften darunter.

Top Vorbereitung + Organisation des SG Niederkassel & Co.

Kantine Evonik Industries Lülsdorf © Landesblog NRW
Kantine Evonik Industries Lülsdorf © Landesblog NRW

Ich muss sagen, dass die Organisation des SG Niederkassel große Wertschätzung gebührt. Viele Hände packten mit an, viele typische Zeiträuber wurden vermieden, und von Anmeldeformular bis zum Geschirrrückgabeschild war alles zweisprachig beschriftet.

Verpflegung beim 26. Schwert von Lülsdorf © Landesblog NRW
Verpflegung beim 26. Schwert von Lülsdorf © Landesblog NRW

Auch andere Vereine und ein Schachhändler stellten Spielmaterial. Bei der Verpflegung wurden lange Wartezeiten beim Bezahlvorgang umgangen, indem der Verein Wertmarken verkaufte, die dann passend eingelöst werden konnten.

Schönes Wetter beim Turnier © Landesblog NRW
Schönes Wetter beim Turnier

Das Areal vor dem Kasino ließ ebenfalls keine Wünsche offen. Eine Spielewiese für die Jungen, Bier- und Parkbänke für die Älteren.

Paarungsliste der 2. Runde © Landesblog NRW
Paarungsliste der 2. Runde © Landesblog NRW

Das beste war allerdings der Beamer, der die jeweiligen Paarungslisten pro Runde an die Wand warf. Bei den meisten anderen Turnieren werden an mehreren Stellen des Saals Aushänge befestigt, die aber immer für Gedränge sorgen und erst noch gedruckt werden müssen.

Aber klar, es hat auch nicht jeder ein Evonik-Werk im Ort, in das man auch noch rein darf, hehe. So, nun aber zu den Highlights aus neun Runden Hochleistungsschach!

DWZ 1711 gegen 2262: Trabi schlägt Mercedes!

Punkt 11 Uhr geht es los © Landesblog NRW
Punkt 11 Uhr ging es los

Die Paarungsliste der zweiten Runde habe ich oben nur als Beweis hingestellt, dass ich in der ersten Runde tatsächlich „geeinst“ habe, also gewonnen. Und auch, damit ich es später selbst noch glaube.

Wer den Bericht z.B. zum Schnellschachturnier in Bad Godesberg gelesen hat, kennt sich mit dem Schweizer System aus: das Teilnehmerfeld wird für die erste Runde nach Stärke sortiert, und ein Starker spielt dann immer gegen einen Schwachen. (Von Dominic Bannholzer hier nochmal erklärt)

Das bedeutet, spiele zum Beispiel ich (nur in Runde 1) an Brett 17, dürfte mein Gegner (ich sicher nicht) der formal 17tstärkste Spieler des Feldes sein.

Offenbar hatten sowohl er als auch ich das für diese erste Runde vergessen. Ob er mich unterschätzt hat, weiß ich nicht (er weiß ja eigentlich, dass ich weit unter seiner Wertzahl bin), aber ich habe überhaupt nicht im Kopf, dass er Großmeister sein müsste.

So schlägt der Zweitaktmotor Thilo (DWZ 1711) den Brühler Großmeister-Mercedes (DWZ 2262) und wusste hinterher gar nicht so richtig, wie. Hatte auch nur noch 16 Sekunden auf der Uhr, aber – lief.

Runde 2 – gegen diese Übermacht kannst du nicht gewinnen

Heike und Max Teilnehmer beim Schwert von Lülsdorf © Landesblog NRW
Heike und Max sowie Felix und Frodo, Teilnehmer bzw. Glücksbringer beim Schwert von Lülsdorf

In Runde 2 spiele ich, wie es nicht anders beim Schweizer System zu erwarten ist, gegen den nächsten Crack. Heike vom Schachklub Kerpen gibt mir zu verstehen, dass mein Höhenflug nach Runde 1 definitiv zu Ende ist.

Vor sich setzt sie vor dem Partiebeginn den Bären Frodo, eine Art Talisman. Ohne geht nicht! Ihr Sohn Max zeigt mir nach der Partie noch Frodos Kumpel, den Tiger Felix. Na, bei der Übermacht konnte ich ja nicht gewinnen 😉

Ich möchte die beiden Tiere gerne ablichten, und Max und Heike wollen auch mit aufs Foto. Da sind sie also – seht euch also vor, vor diesem Dream Team!

Runde 3 – guter Schnitt bei Damen, mager bei den Punkten

Brett 1 beim Schwert von Lülsdorf 2015 © Landesblog NRW
Brett 1 – das war weit weg für mich.

In Runde 3 habe ich bereits die nächste von immerhin nur 9 Damen unter 126 Teilnehmern als Kontrahentin. Stochastisch ein überdurchschnittlicher Wert, nur gebe ich meine eigene Dame vor Schreck in der Partie gleich wieder her.

Wird also nichts mit vorderen Plätzen heute, wird schon früh klar. Aber das muss auch nicht sein – die hinteren Bretter sind mir in puncto Geselligkeit und Geschichten eh viel lieber. Im Grunde genommen war mir jeder Punkt zu viel, da der mich ja wieder nach vorne spülte!

Während die Prominenz (mindestens ein Großmeistertitel und ein Wikipedia-Eintrag) um wahlweise Ilja Schneider, Sebastian Feller aus Frankreich oder auch Alexander Zubarev an Brett eins bis drei um zugegeben nicht wenig Geld spielten (350 Euro für den Sieg), ist es aber auch ab Brett 40 humoristisch recht auskömmlich.

„Welche DWZ?“ – na, das üben wir nochmal!

Siegertrophäe Schwert von Lülsdorf © Landesblog NRW
Siegertrophäe Schwert von Lülsdorf – das war noch weiter weg für mich.

Die Runden plätschern so dahin, mal verliere ich, mal gewinnen die anderen. Einige altbekannte Gesichter sind dabei, gegen die ich auch schon mal, wenn auch anders als heute – verloren habe, haha.

Vor mittlerweile Runde 8 sitze ich noch nicht mal richtig, als mir ein etwa 8jähriger schon von Stehhöhe 1,30 Meter entgegenplärrt: „Welche DWZ???“ Er möchte meine Spielstärke wissen.

Als ich gerade „3000“ sagen will, meint mein Nachbar vom Nebentisch schon: „Sag 8000!“ Na, ich wollte eigentlich bescheiden bleiben. Aber richtiger Satzbau ist noch wichtiger:

„Kleiner, zu einer ordentlichen Frage gehören nicht nur zwei Wörter, weißt du? Das ist nicht höflich.“

„Mehr wie 1000 oder mehr wie 2000??“, beharrt er weiter.

„Naja, mehr als 1000 müssen es nun nicht sein, aber vier bis fünf gehören schon in eine Frage.“

„Du bist doof!“

Mag sein, aber richtiges Deutsch ist nun mal wichtig!

Letzte Runde – wilder Skandinavier und Sieg für Ilja Schneider

Stand Wertungsgruppe 1600-1800 DWZ nach 8. Runde © Landesblog NRW
Stand Wertungsgruppe 1600-1800 DWZ nach 8. Runde © Landesblog NRW

Vor der achten Runde habe ich noch Chancen auf einen Ratingpreis für die Gruppe DWZ 1600 bis 1800. Könnte man sich anstrengen – oder auch nicht, denn 18:36 Uhr fährt mein Bus zurück, und der darauffolgende erst 1 Stunde später.

Ich rechne: die neunte Runde beginnt 17:50 Uhr. Entweder ich mache ziemlich früh ein Freundschaftsremis, oder spiele durch. Es werden beide ja wohl nicht die vollen 20 Minuten Bedenkzeit in der letzten Runde verbrauchen, haha, haha, haha….

Taten wir aber -.- es war ein wildes Spiel. Skandinavische Eröffnung mit zweifach angenommenem Opfer (Stellung nach dem vierten Zug von Schwarz):


All die Spiele zuvor bekam ich das nicht aufs Brett, und dann doch. Mein Gegner lässt sich enorm viel Zeit und ist am Ende fast geschlagen, doch meine Initiative bzw. seine Überlegungen sie abzuwehren, tauschen sich nicht in ausreichend Material oder einen Zeitsieg ein.

Das Turnier gewann schließlich Ilja Schneider aus Berlin, gefolgt von Stanislav Korotkjevich und Mikhail Zaitsev. Ilja Schneiders Name ward also in das Wanderschwert eingraviert und nächstes Jahr werden die Klingen aufs Neue gekreuzt. Nehmt euch also unterdessen in Acht vor ihm 😉

Der Tag der keinen großen Sprünge geht zu Ende

Ich mache keine großen Sprünge mehr, außer den zur Bushaltestelle. Wir hören tatsächlich Punkt halb 7 auf zu spielen, quatschen noch kurz, und dann hetze ich binnen 5 Minuten zur Haltestelle. Der Bus war sogar 2 Minuten früher da. Der Schlingel von Fahrer wollte wohl auch in den Feierabend!

Naja, beim nächsten Mal weiß ich aber zwei Dinge:

  1. Schachspieler werden mir meinen Platz im Bonner ÖPNV nicht streitig machen.
  2. Mit der Mondorfer Rheinfähre geht es noch schneller.

In diesem Sinne,

euer Thilo

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