Heute Mittag dachte ich, dass ich abends die Geschichte eines mühsamen Morgens aufschreiben würde. Jetzt, nachts, weiß ich, dass es die eines leider ganz normalen Tages werden wird. Ich präsentiere also: „Wie in Bonn die Bahn den Bagger knutschte!“ Oder auch unter dem Alternativtitel von Marvin aus Hürth: „Chef, gestern auf der Bahnfahrt…“ – „Lügner, Sie!“ Pendlergeschichte ab!
Prolog
„Schatz, möchtest du zum Frühstück eine Banane essen?“
„Vielleicht.“
„Vielleicht reicht nicht, du musst schon sagen. Sonst nehme ich nämlich beide mit.“
„Schon gut, ich esse etwas anderes. Warte, ich steck sie dir schon mal in deine Seitentasche!“
„Okay, danke!“
Fail.
Ein ganz normaler Tag
„Es war am Morgen so wie jeder andere
und ich wachte wieder mal viel zu spät auf.
Ich sprang in meine alten Jeans und rannte unrasiert und ruhig aus dem Haus.
Der (Zug) war voll mit schlecht gelaunten Leuten.
Doch ich bekam noch einen Stehplatz neben…“
Ja, leider nicht nur neben „ihr“, wie es bei Wolfgang Petry weiter heißt, sondern leider nur „an der Tür“. Reimt sich zwar auch, aber das, was ich da heute Morgen in Hersel kurz nach 7 Uhr an Kondensatem der Scheiben der Linie 16 sah, war nicht mehr normal. An Karneval schon, aber der ist erst in zwei Wochen. Was war passiert?
Bahn rammt Bagger in Bonner Güterbahnhof
Theoretisch muss man immer damit rechnen, dass einer der Regionalzüge von Bonn nach Köln ausfällt und die Leute, die unbedingt pünktlich zu kommen haben, dann „bei sich“ in den KVB-Linien 16 oder 18 auf der Matte stehen hat. Allerdings ist es ohne jene morgens schon recht gedrängt.
Der besagte Unfall, der zum Glück ohne Verletzte vonstatten ging (bei Schrittgeschwindigkeit, dem Vernehmen nach…), ereignete sich am frühen Morgen gegen 5.30 Uhr. Wieder mal ein Grund mehr, morgens früher rauszukommen und Nachrichten zu lesen, aber ich musste ja meine Wolfgang-Petry-Platte zu Ende hören. So las ich auf Twitter…NICHT:
Wg. Störung an der Strecke ist der Streckenabschnitt zw. Bonn Hbf und Roisdorf/ Bonn-Duisdorf gesperrt. https://t.co/txnhoBhDtl #bahn #NW
— Deutsche Bahn Verkehrsmeldungen (@DB_Info) October 28, 2015
Dialoge in überfüllter KVB – einmalig
Ich stehe also dicht gedrängt am Rande des Abgrunds, sprich: an der Klapptreppe des Niederflurfahrzeugs. Bis Wesseling wollen die meisten Leute nicht raus, das ist gut (und da ist der Ausstieg auch ausnahmsweise links statt rechts). Das Dumme ist nur, es wollen immer mehr Leute rein!
Ich war schon froh, dass die draußen nicht, wie zu Karnevalszeiten, Anlauf nehmen und nochmal die letzten freien Kubikzentimeter ausreizen. Es war trotzdem ein Tohuwabohu. Vor allem für die, die
- unter Klaustrophobie leiden,
- alt und gebrechlich sind,
- oder die so etwas vorher noch gar kannten.
Am schlimmsten sind aber jene, die aus Gruppe 3 kommen und auf ihrer Komfortzone bestehen. Die zwar für Aussteigende Platz machen, beim Rückkehren aber ihren exakten Stellplatz wiederhaben wollen! Dabei ist das jedes Mal ein solches Tetris, dass das höchste Level bereits erreicht ist, wenn „nur“ die Fahrradfahrer, Kinderwagen und zusammenhängenden Schülergruppen draußen bleiben müssen.
Aber manche Leute bestehen nun mal drauf. Ein älterer Herr und ein jüngerer, wahrscheinlich Blogger…:
„Moment doch mal, ich geh erst beiseite..so…steigen Sie aus. He, Sie da, da stand aber ich! Würden Sie mal bitte…!“
„Aber bitte gern, ist doch für jeden da.“ (packt seine Tasche etwas zur Seite)
„Äch..unerhört ist das! Da war ja wohl ich gestanden! Ich muss doch wohl mal sehr bitten!“
„Mensch, bin ich froh, dass Sie kein Rad beihaben…“
„Ach was! Warum denn, hä?“
(gelassen)“Das würde dann wohl auch noch mitschimpfen.“
„ALSO…“
(Stimme von hinten) „Mensch, ist doch für alle die erste Stunde, reg dich ab…!“
In Höhe der ersten Umsteigemöglichkeit, am Ubierring zur Linie 15, beruhigte sich das Ganze wieder. Wäre aber auch zu schön gewesen, wenn es dabei an diesem Tag schon geblieben wäre.
Abends, 28.10.2015. Etwa 10 Stunden darauf.
Kleines Bilderrätsel: Was fällt euch an diesem Foto auf? Richtig, die Uhrenumstellung hat die Bahn zwar noch hinbekommen, nur die Abstimmung zwischen der im Zug angezeigten Zeit (richtig) korrespondiert nicht mit der auf dem Bahnsteig angezeigten, die ist falsch.
Leider war dies aber nicht das einzige, was hier falsch lief. Ich befinde mich nämlich kurz vor dem Ausstieg, und zwar im Regionalbahnhof zu:
…Brühl! Was zur Hölle mache ich hier? Geh ich nur alle Jubeljahre zum Ramada Schachturnier hin, und wenn meine Freundin mal ein schönes Schloss sehen will!
Auflösung: Was morgens so glimpflich endete (gegen 9 Uhr fuhren die REs und MRBs wieder weitestgehend normal), konnte doch bis in die Abendstunden doch nicht so friedlich weitergehen. Nein, da musste noch ein echter Kracher her. Mindestens ein Stellwerkschaden in Brühl, drunter würde es die Deutsche Bahn nicht machen.
Und genau das geschah. „In Brühl bitte alle aussteigen“. Na geil. Aber gut, wir sind ja gestählt, vom Darben des Bahnfahrens. Nur so pfiffig, gleich ein paar Stationen vorher auszusteigen, um in der irgendwann nachkommenden Bahn, die dann seltsamerweise wieder bis Bonn durchfuhr, waren wir nicht. Denn dann hätten wir da auch reingepasst. So aber…
Stellwerkschaden in Brühl, RE-Ausfall, wieder Warten
…hatten nur die Pfiffigen noch Platz drin. Ein Zug wird kommen…darauf kann man sich immer verlassen, aber wenn er kommt, sitzt halb Bonn da bereits drin. Und da in Brühl kaum einer wohnt 😉 und folglich nur wenige dort aussteigen, konnte ich mir in der Mitte zweier Zugtüren ganz gemütlich aussuchen, wo ich zuerst nicht würde einsteigen werden:
Ihr versteht, dass ich das meiner Banane nicht antun konnte. Die hatte ich nämlich immer noch vorne in meiner Tasche drin von morgens. Also wieder warten, in der Hoffnung, dass der nächste Zug (wegen „Verzögerungen im Betriebsablauf“ noch weitere 15 Minuten später eintreffend) nicht so schwer geladen hatte.
Leidensgenosse und Graphic Artist Marvin aus Hürth
Hoffte auch Marvin, seines Zeichens aus Hürth, bepackt mit einem Fahrrad und jeder Menge Frust. Auch er muss den übernächsten Zug abwarten. Wir unterhalten uns über unsere Pendlererfahrungen, und wahrscheinlich schreibt und erzählt sich ein jeder von uns seinen eigenen Pendlerblog, und nur die Tatsache, dass ich zu viel Zeit hab, das ganze online zu bringen, ist der Grund, warum ihr meine Geschichten lest und nicht die vielen der anderen…
Ich hoffe, du findest diesen Eintrag, Marvin und meldest dich bald. Wir müssen unbedingt noch diesen Film übers Bahnfahren drehen. Also vorausgesetzt, wir finden einen Produzenten für die gesamte Länge der Erstellung.
Bis nächstens,
euer Thilo
Mehr Infos zum RE-Unfall mit Bagger am 28.10.
- Artikel im Express
- Bericht im Kölner Stadtanzeiger (mit Foto des wahrscheinlich plötzlich angestürmt gekommenen Baggers)