„Nehmt Plakate ab, aber nicht zu knapp…“

Tief hängende Wahlplakate in Köln © Thilo Götze

Am vorigen Sonntag, den 24. Mai, wurden in Köln die Wähler nicht nur zur Europawahl gerufen, sondern entschieden auch über ihre kommunalen Vertreter. In den Monaten zuvor gab es eine heftige Diskussion darüber, wie man mit den Wahlplakaten einer bestimmten Partei umzugehen habe. Ein Überblick über die Plakatproblematik im Nachgang, eine Woche nach der Wahl.

Eine Allee in Köln-Dünnwald, eine Joggerstrecke entlang der S-Bahntrasse. Ein Ort, an dem man Ruhe und Entspannung sucht und finden kann. Wenn ein Bürger Wahlplakate überhaupt eines Blickes würdigt, hier wird er es sicher dennoch nicht tun. Parteien müssen hier keine Angst haben, dass sie später Anzeige gegen Unbekannt wegen Sachbeschädigung stellen müssen, wenn „Unbekannt“ die Dinger runterholt. Wenngleich ich mich frage, wie hoch die Aufklärungsquote in dieser Angelegenheit sein mag.

Nein, nein, Martin Schulz und die andere Nase können dort ganz gemütlich durchhhängen, eventuell werden sie mal von einem Hund aufgesucht, aber auch das vergeht. So ruhig wie die beiden hier haben es aber längst nicht alle.

Unterschiedlicher Umgang mit Wahlplakaten von ProKöln

Pro Köln Wahlplakat hoch wie möglich gehängt © Thilo Götze
Pro Köln Wahlplakat hoch wie möglich gehängt

„Reißt die Felder ab, aber nicht zu knapp“, so geht ein altes Volkslied. Es handelt davon, Überstehendes zu ernten, aber den Keim einer Sache stehen zu lassen, auf dass Neues gedeihen könne. Bei Wahlplakaten der Partei ProKöln ist es eher Überflüssiges, das man von den Fahnenstangen holen wollte. Den Keim hat man so allerdings, obschon man es vielleicht wollte, auch hier nicht vernichten können.

Pro Köln ist die kommunale Variante der Partei ProNRW, den meisten vielleicht noch eher ein Begriff. Eine Zeit lang bestimmte diese Partei zusammen mit sogenannten Salafisten das Nachrichtenbild, als beide letztes Jahr gegeneinander hetzten und sich im Rahmen von Demonstrationen Kämpfe mit der Polizei lieferten. Einen Backlink mit näheren Informationen bekommt übrigens keiner von ihnen.

Aber zurück zum Thema. Die Strategen von ProKöln wussten um den ein oder anderen aktionistischen Gedanken von Gegnern des Rechtsradikalismus, und hängten ihre klugen Sätze extra weit an die Laternen. Auf dem Foto oben prangert der Reim, der nebenbei nicht einmal ein korrektes Versmaß darstellt (eine Silbe ist zu viel), sogar an der Stelle, wo der Lichtmast sich krümmt. Jemand, der sich vornahm, das Plakat herunterzuholen, sollte auf jeden Fall ein hohes Risiko eingehen, so das Kalkül.

Von Rechtslücken, Plakateanglern und kreativen Ideen in Köln

 

Bürger hängen Pro Köln Wahlplakate ab © Screenshot Express
Bürger hängen Pro Köln Wahlplakate ab © Screenshot Express

Hat es etwas gebracht? Natürlich nicht. Der Kölner an sich ist ja sehr tolerant (wenn man von den Dingen, wogegen die man in Köln nichts sagen darf, absieht), neulich durfte der Erdogan die Lanxess-Arena mieten und seine Silben ablassen. Aber die PK-Plakate gingen der Bevölkerung zu weit. Und weil man Wahlplakate nicht einfach so ohne Weiteres abmontieren, drauf rumtreten oder verbrennen kann…

…äh, mussten sich zumindest die anderen etwas einfallen lassen. Nachdem ein paar aufrechte Bürger gerade so mir nichts, dir nichts, ein paar Hetztiraden vom Baume gepflückt hatten, empfingen sie schon die herbeigeeilten Gesetzeshüter.

Wie, von Sachbeschädigung oder Diebstahl keine Spur?! Vielmehr war das Vorhaben, und ein Trupp war auch schon an der Wache angekommen um dies zu belegen, die Plakate zur Schutzstelle zu bringen und Anzeige zu erstatten. Beleidigung, Bedrohung und weitere Straftaten seien Gegenstand der PK-Plakate, und müssten als Beweismittel gesichert werden (bevor sie eben jemand zunichte macht).

Wenn man kurz einmal ignoriert, dass 99 % ALLER Wahlplakate eine Beleidigung sind, weil sie uns für dumm verkaufen bzw. eine Bedrohung, und zwar im optischen Sinne, war die Rechtslücke, in die diese Bürger schlupften, erst mal gar keine so schlechte Idee.

ProKöln schmeckt uns nicht oder – Lügen haben lange Leitern

Banner gegen Pro Köln über Dönergrill © Sibylle Schmidt
Banner gegen Pro Köln über Dönergrill © Sibylle Schmidt

Treffender geht es eigentlich nicht. Zwar ist auch Negativ-Publicity immer noch Publicity, wie dieser gebürtige Wirt aus Mallorca zu dozieren weiß, doch die Botschaft ist eindeutig. Über einem Imbiss mit ausländischer Küche und ausländischem Personal hängt eine Botschaft, deren sprachliches Stilmittel im Gegensatz zum Jambus/Trochäusgewurstel des PK-Plakats einwandfrei angewendet wurde. Vielen Dank an die Fotografin!

Lügen haben lange Leitern © Floriaan Ruhrberg
Lügen haben lange Leitern © Floriaan Ruhrberg

Manchmal hängt die Wahrheit auch ganz unten, während die Leute erst nur den Blick gen oben richten. Jaja, die längsten Leitern haben sie, jedoch nicht den längsten Atem. Eine schöne Note auch hier, und es bleibt zu hoffen, dass die Wege vielfältig sind, solchen Kräften wie PK entgegen zu treten.

Politische Kräfte haben, wie bei den langen Leitern, schon früh Strömungen gemessen und Stimmungen antizipiert, wodurch dann auch das Plakat auf dem letzten Bild ganz unten zustande gekommen sein dürfte. Dieser Beitrag soll frei sein von jeglicher Wahlempfehlung oder –bewertung a posteriori, aber wenn man durch die Straßen geht, ist man zumindest froh, so etwas zu sehen bzw. später auf Schnappschüsse von Plakaten für ein friedliches Miteinander bzw. gegen den Hass zugreifen zu können.

Wahlplakat Köln pro für Ausländer © Thilo Götze
Wahlplakat Köln pro für Ausländer